Moorleiche

Kein Moor ohne Moorleiche – und auch wir haben eine zu bieten!

In der Emsdettener Volkszeitung gab es dazu in 2010 einen Artikel, den uns als Originalskript freundlicherweise Rainer Seidl höchstselbst zur Verfügung gestellt hat. Er ist pensionierter Biologielehrer und arbeitete drei Jahrzehnte lang im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz Tecklenburger Land www.antl-ev.de und war bis 2014 Vorsitzender des Landschaftsbeirates des Kreises Steinfurt.

Doch nun lesen Sie selbst:

Oh, schaurig ist’s übers Moor zu gehen“, fand schon die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. Vielleicht ist es ja auch ein gewisser Gruseleffekt, der dazu führt, dass die Moore im Kreis Steinfurt – das Emsdettener Venn und das Recker Moor – sich seit geraumer Zeit wachsender Beliebtheit erfreuen. Die zahlreichen gut besuchten Führungen der Naturschutzverbände und der Biologischen Station im Kreis Steinfurt zeigen das steigende Interesse der Bevölkerung an den Resten dieser Urlandschaften unserer Heimat.

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Lag die Moorleiche eventuell hier?

Geht es bei diesen Exkursionen um die besondere Art und Weise, wie das Torfmoos durch seine Huminsäure abgestorbene Pflanzen und Tiere über Jahrtausende konserviert, ist man doch schnell beim Gruselthema „Moorleichen“. Die Moore im Kreis konnten bisher mit dem Fund solcher Mumien nicht dienen, und doch hat es in den Ausläufern des heutigen Emsdettener Venns eine solche Entdeckung gegeben.

In seinem 2009 erschienenen Buch „Moorleichen – Zeugen vergangener Jahrtausende“ erwähnt der Archäologe und Journalist Thomas Brock bei der Aufzählung von Funden aus der Jungsteinzeit eine Moorleiche aus Ahlintel / Westfalen. Nun kann man davon ausgehen, dass das heutige Emsdettener Venn nur ein spärlicher Rest einer in früheren Zeiten ausgedehnten Moorlandschaft ist, die weite Bereiche der späteren Emsdettener Bauerschaft Ahlintel umfasste. Brock zitiert aus Wjjnand van der Sandens „Mumien aus dem Moor“ (1996). Dieser war auf die Beschreibung eines Physicus Meyer aus Münster gestoßen, der 1794 in einem Brief berichtete:

„Einige Arbeiter hatten im Eichsfeld nahe Ahlintel in Westfalen einen gut konservierten Mann gefunden. Er hatte langes rotes Haar, einen langen Bart, seine Haut war gegerbt und seine Knochen waren biegsam. An seinem linken Handgelenk trug er eine mit Riemchen befestigte Knochenplatte. Dazu gehörte ferner Kleidung aus Wolle, ein Köcher mit Pfeilen, die mit Knochenspitzen versehen waren, und ein Bogen.
Er lag mit angezogenen Beinen auf seiner linken Seite. Weil der Mann bereits lange tot war und keine Feuerwaffen, sondern ganz andere Waffen trug, wurde die Leiche von der Behörde freigegeben.“

oder vielleicht hier?

… oder vielleicht hier?

Fast alle Moorleichen werden mit roten Haaren gefunden, ein Färbeprozess, der ebenfalls auf die Wirkung der Huminsäure zurückgeht. Da diese Säure langfristig den Kalk aus den Knochen löst, sind die mumifizierten Körper von biegsamer Konsistenz und wurden daher auch als Lederleichen bezeichnet.

Bei der erwähnten Platte handelt es sich nach van der Sanden um eine Armschutzplatte, die den Puls beim Bogenschießen gegen die zurückschnellende Sehne schützen sollten.
 
Über die Art und Weise, wie der Mann wohl zu Tode gekommen sein könnte, finden sich keine Angaben. Sicher ist, dass er nicht im grundlosen Sumpf versunken ist, eine in Filmen beliebte Szene, die nachweislich physikalisch unmöglich ist. Aufgrund des natürlichen Auftriebs sinkt ein Mensch nur bis über die Gürtellinie ein, nicht tiefer.
So gehört es zu einem besonders düsteren Kapitel, dass die meisten dieser Menschen eines gewaltsamen Todes gestorben sind, sie wurden erhängt, enthauptet, erstochen oder erschlagen und erst dann im Moor versenkt.
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… möglicherweise auch dort – wer kann es schon wissen!

Nicht gelüftet ist bisher das Geheimnis um den genauen Fundort der Moorleiche. Über die genannte Ortsbezeichnung „Eichsfeld nahe Ahlintel“ konnte keine Klarheit gewonnen werden, aber vielleicht lässt sich bei intensiver Heimatforschung doch noch der genaue Platz ermitteln, an dem der Fund vermutlich beim Torfstechen gemacht wurde.
Aber wo ist diese Moorleiche nun geblieben? Auch dazu findet sich in den Quellen eine Erklärung, die Brock als den „ökonomischen Nutzen“ bezeichnet. Zur Zeit ihrer Entdeckung bestand keinerlei wissenschaftliches Interesse an Moorleichen. Aber schon seit dem frühen Mittelalter und auch noch weit darüber hinaus galten Stoffe, die man zur Konservierung ägyptischer Mumien verwandt hatte, als lebensverlängernd.
So wurde das dafür benutzte Erdpech, eine Art natürlich austretenden Erdöls, zu Pulver zermahlen und als Medikament „Mumia“ in Apotheken verkauft. Um mehr des begehrten und wertvollen Materials zu gewinnen, wurde schließlich die gesamte Mumie im Mörser zerstoßen. Als die zunehmende Nachfrage in Europa bei immer knapper werdendem Ausgangsmaterial nicht zu befriedigen war, entsann man sich der einheimischen Mumien, der Moorleichen. So ist auch der Mann von Ahlintel zu Mumia zermahlen und Prise für Prise als Medikament verzehrt worden. Van der Sanden schließt seinen Bericht: „Nach etwa 4.000 Jahren ist er schließlich doch noch zu Staub geworden“.
 
 
 

 

Quellen: Thomas Brock, „Moorleichen – Zeugen vergangener Jahrtausende“ (2009); Wijnand van der Sanden, Mumien aus dem Moor – Die vor- und frühgeschichtlichen Moorleichen aus Nordwesteuropa, Amsterdam 1996; Alfred Dieck (* 4. April 1906; † 7. Januar 1989) war ein deutscher Urgeschichtsforscher, der sich seit den 1930er Jahren bis zu seinem Tod intensiv mit den europäischen Moorleichen beschäftigte und zahlreiche Publikationen dazu veröffentlichte; Dieck entdeckte den Bericht des Physicus Meyer in dem Archiv “Moorfunde” von Hans Hahne.
 

 

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