Rückblende: 01.01.1945 – der Krieg ist für Deutschland unrettbar verloren. Beim letzten Aufbäumen der Wehrmacht im Westen, der sog. “Ardennenoffensive” am 16.12.1944, sollten zeitgleich unterstützende Luftangriffe unter dem Namen “Unternehmen Bodenplatte” stattfinden. Dafür waren monatelang vorher Material- und Personalreserven gebildet worden, so dass schließlich (nach unterschiedlicher Quellenlage) ca. 800 Maschinen zusammenkamen. Aufgrund der schlechten Witterung verschoben sich deren Raids allerdings auf den Neujahrstag 1945 – sie endeten in einem völligen Desaster und markierten den endgültigen Untergang der Luftwaffe.
Lassen wir für die Ereignisse am o.g. Tag einen Zeitzeugen zu Wort kommen. Franz Wilp, Jahrgang 1936, gab dazu am 12.09.2018 ein Interview, ergänzt um eine Ortsbegehung am 25.09. Zu erzählen hatte er viel, denn gleich drei Abstürze kann er im Gebiet rund um Emsdetten vermelden, einen davon in unmittelbarer Nähe des Venns:
1. Gegen Mittag fand bei den Wilps’ eine Verlobungsfeier statt. Bei einem Fliegeralarm stürzten alle in den Keller, während draussen schon auf- und abschwellendes Motorengeheul erklang, gefolgt von einem immensen Knall, der die Teller vom Tisch fegte. Ca. 20 m vor dem Elternhaus (in der Nähe der Marienschule Mesum, heute Franziskusschule) hatte ein englisches Jagdflugzeug aufgesetzt und dabei überall Kerosin verspritzt.
Dieses brannte lichterloh, auch die Kleidung von Franz Wilp fing Feuer, als er zum Nachsehen aus einem der Kellerfenster kroch. Ein deutscher Soldat, der zu einer am Rheinenser Waldhügel stationierten deutschen Flakeinheit gehörte – sie hatte wohl auch den Abschuss erzielt – hängte ihm geistesgegenwärtig seinen Mantel um, was ihm das Leben rettete. Der kleine Franz versuchte einige Tage später, sich zu bedanken; aber damals war alles und jedes geheim, so dass ihm die Dienststelle nicht weiterhelfen konnte bzw. wollte.
Der englische Pilot hatte übrigens den Vorfall überlebt, nach dem Krieg kam er sogar noch einmal zur Absturzstelle. Er bedankte sich zudem bei den Bauern der Umgebung für die faire Behandlung – die nebenbei bemerkt keinesfalls selbstverständlich war: Vielen abgeschossenen Fliegern wurden ihre im Nazijargon “Terrorangriffe” genannten Einsätze zum Verhängnis, weil die leidgepüfte Bevölkerung ihre Wut an ihnen auslebte.
2. Am selben Tag stürzte eine deutsche Maschine bei Bauer Dieckmann, Aechterhook bzw. Isendorf, in der Nähe der Bahnlinie ab. Diverse Ersatzteile wurden direkt anschließend ausgebaut – von der Wehrmacht aufgrund Ersatzteilknappheit der Motor, von der Zivilbevölkerung alles Weitere, was sich z.B. zu einem Pflug umbauen liess. Der Pilot soll verstorben sein.
3. Im nördlichen Vennbereich am Herzogstannenweg kam am 01.01. ebenfalls ein deutsches Flugzeug herunter. Die Stelle ist seinerzeit zwar schnell planiert worden, aber trotzdem konnte ein Klassenkamerad dem Interviewten später den Bereich zeigen. Zum Schicksal des Flugzeugführers gibt es verschiedene Aussagen: Entweder lag er noch tot in der Maschine oder er kam mit dem Fallschirm, ebenfalls tot, zu Boden.
Soweit die Zeiten, die alles andere als die vielzitierten “guten, alten” waren. Wer sich allgemein in die Materie einlesen möchte, ist – neben umfangreicher Fachliteratur – im Web gut beraten, etwa mit einer Liste aller deutschen Luftwaffen-Standorte und Einheiten am Neujahrstag sowie der zugehörigen Verlustliste.
Und die oben nur als “Maschinen” bzw. “Flugzeug” benannten Luftfahrzeuge? Hier kann sich der damals 8-jährige Franz Wilp nicht mehr erinnern. Es kommen aber umständehalber nur die beiden deutschen Standard-Tagjäger Messerschmidt Me 109 sowie Focke-Wulf Fw 190 in Frage. Schaut man sich die nächstgelegenen Liegeplätze der damaligen “Reichsverteidigung” an, wären hier das Jagdgeschwader 1 mit Teilen in Rheine sowie das Jagdgeschwader 27 in Hopsten zu nennen.
Erstgenanntes flog seit Frühjahr 1942 die Fw 190, die Letztgenannten den ganzen Krieg über die Me 109. Nebenbei bemerkt erlangte das JG 27 in früheren Jahren Bekanntheit, weil es den kompletten Afrikafeldzug unter Erwin Rommel begleitet hatte …
Sicherheitshalber ein Hinweis wegen der Seitenleitwerksbemalung: Nach § 86a Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 3 StGB gilt das Strafverbot (für das Zeigen verfassungsfeindlicher Kennzeichen wie z.B. dem Hakenkreuz) nicht, wenn die Verwendung […] „der staatsbürgerlichen Aufklärung, […] der Wissenschaft, der Forschung oder der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dient”
nach oben